Kreuzbandriss

Ein Kreuzbandriss (Kreuzbandruptur) bezeichnet den (Ein-)Riss eines der beiden Kreuzbänder im Kniegelenk. Er führt zu einer Instabilität im Kniegelenk sowie zu Schwellung und Schmerzen, die vor allem bei Belastung auftreten. Die Behandlung bei Kreuzbandriss kann operativ oder konservativ (Physio-/Elektrotherapie) erfolgen, wobei in jedem Fall eine konsequente Rehabilitation notwendig ist.

Was ist ein Kreuzbandriss, welche Behandlungs- bzw. Therapiemethoden und langfristigen Heilungschancen gibt es? Definition, Zahlen, Ursachen, Diagnose im Überblick …

Was ist ein Kreuzbandriss?

Was ist ein Kreuzbandriss?

Ein Kreuzbandriss (auch: Kreuzbandruptur) beschreibt den teilweisen oder kompletten Einriss eines der beiden Kreuzbänder.

Kreuzbänder existieren im Kniegelenk zweifach. Sie bestehen aus einem vorderen und einem hinteren Kreuzband. Durch ihren schrägen Verlauf kreuzen sie sich. Daher rührt auch die Bezeichnung Kreuzband.

Ist das vordere Kreuzband betroffen, wird dieser als vorderer Kreuzbandriss und anlog hierzu beim betroffenen hinteren Kreuzband als ein hinterer Kreuzbandriss bezeichnet.

Das Kreuzband wird zumeist durch Unfälle mit hoher Krafteinwirkung geschädigt (z.B. beim Sport), vor allem beim Verdrehen (Distorsion) des Kniegelenks. Da die Kreuzbänder gemeinsam mit den Seitenbändern und den Menisken für die Stabilität im Kniegelenk verantwortlich sind, kommt es bei einer Kreuzbandverletzung zu einem erheblichen Stabilitätsverlust im Knie. Bei schweren Verletzungen reißt oft nicht nur das Kreuzband, sondern auch der Meniskus und das Seitenband. In diesem Fall spricht man von einer „Unhappy Triad“. In manchen Fällen, vor allem wenn das Kreuzband am Ansatz reißt, kann es zusätzlich zu einem knöchernen Ausriss kommen.


Symptome eines Kreuzbandrisses

Durch die stabilisierende Funktion des Kreuzbandes kommt es bei einem Riss dazu, dass das Kniegelenk instabil wird. Wie bei jeder Verletzung treten ebenfalls Schwellung (Gelenkserguss), Schmerzen und auch eine Rötung bzw. Überwärmung auf. Die Schwellung und die Instabilität im Knie führen in weiterer Folge zu Bewegungseinschränkungen im Gelenk und somit zu Funktionsbeeinträchtigungen mit daraus resultierenden Schwierigkeiten im Alltag.

Die Symptome verschlechtern sich bei Belastung und werden bei Ruhigstellung besser. Am unangenehmsten wird von Betroffenen das Unsicherheitsgefühl beschrieben, das beim Bewegen und vor allem beim Gehen auftritt. Dieses wird fachsprachlich als „Giving Way“ bezeichnet.

Ob eine Operation notwendig ist oder eine konservative Rehabilitationstherapie ausreichend ist, muss im Einzelfall entschieden werden. In der Regel gilt aber, je größer bzw. komplexer die Verletzung (isolierter Teil-Riss bis Unhappy Triad) desto eher muss operiert werden.


Erste Hilfe bei Kreuzbandriss

In vielen Fällen hört man bei einem Riss ein lautes Schnalzen. Dieses ist mit starken Schmerzen verbunden. Wichtig ist es, dann Ruhe zu bewahren und das Knie nicht zu bewegen. Gegebenenfalls kann das Knie geschient und gekühlt werden.

Der Betroffene sollte möglichst zeitnahe ins Krankenhaus gebracht werden, am besten in liegendem Zustand z.B. mit dem Rettungsdienst, da das Knie beim Transport im Auto oft stark abgewinkelt werden müsste. Dies wäre nicht nur schmerzhaft, sondern kann auch zu einer Verschlimmerung der Verletzung führen.

Erste Hilfe beim Kreuzbandriss: Ruhe bewahren – das Knie nicht bewegen – Knie kühlen und die Rettung verständigen.

Diagnose: Kreuzbandriss

Die Diagnosestellung erfolgt zuerst durch eine klinische Untersuchung. Die klinische Untersuchung umfasst einen ausführlichen Tastbefund (Palpation) vom Erguss, vom Gelenkspalt und den Seitenbändern sowie eine Beweglichkeitsprüfung des Kniegelenks und ggfs. die Analyse des Gangbildes. Zusätzlich werden Gelenkstabilisationstests (Meniskus-, Seitenband- und Kapseltest) durchgeführt.

Anschließend erfolgt die Prüfung der Stabilität im Seitenvergleich. Dabei können verschiedene Tests die Festigkeit der Kreuzbänder beurteilen (Hepp & Locher 2014):

  • Schubladentest
    Das Kniegelenk wird zur Testung in eine Beugestellung von 90° gebracht. Der Unterschenkel wird dann vom Untersucher parallel nach vorne verschoben (vordere tibiale Translation). Zeigt sich im Seitenvergleich zur nicht-betroffenen Seite ein größeres Spiel, also ein vorderes Schubladenphänomen, spricht dies für einen Riss des vorderen Kreuzbandes. Kann der Unterschenkel übermäßig nach hinten verschoben werden, ist mit großer Wahrscheinlichkeit das hintere Kreuzband gerissen.
  • Lachman-Test
    Der Lachmann-Test erfolgt bezogen auf Ausführung und Beurteilung ähnlich wie der Schubladentest. Beim Lachmann-Test liegt die Beugestellung jedoch bei 20-30° und die Beurteilung des Ausmaßes der Verschieblichkeit erfolgt in 3 Graden mit Dokumentation des Anschlages (fester Anschlag - weicher Anschlag - kein Anschlag).
  • Pivot-Shift-Test (Subluxationstest)
    Bei diesem Test kommt es bei Innenrotation des gestreckten Knies zur Verschiebung (engl. shift) des Drehpunktes (engl. pivot), also des Unterschenkels, nach vorne. Wird die Hüfte dann gebeugt, kommt es durch den Zug der Muskulatur zur plötzlichen Reposition (Rückstellung) des Unterschenkelknochens (Tibia). Auch hier erfolgt die Einteilung in 3 Grade.


Zeigt die klinische Testung einen auffälligen Befund, wird ein bildgebendes Verfahren zur weiteren Abklärung durchgeführt. Zumeist wird hier eine Magnetresonanztomographie (MRT) zum Ausschluss von Begleitverletzungen (Meniskus/Seitenband) bzw. ein Röntgenbild bei Verdacht auf einen knöchernen Ausriss durchgeführt (Herbort & Lobenhoffer 2018).

Kreuzbandriss: Diagnose
Bei der Diagnose eines Kreuzbandrisses steht die klinische Untersuchung, allen voran die spezifischen Stabilitätstests, im Vordergrund. Bildgebende Verfahren ergänzen die Diagnostik.

Ursachen für einen Kreuzbandriss

Kreuzbandrupturen treten im Alter zwischen 15 und 25 Jahren mit einer Häufigkeit von 1/1000 Einwohnern auf (Mehl et al. 2018), wobei Männer häufiger betroffen sind. Zumeist entstehen die Verletzungen beim Sport, im speziellen bei „Stop-and-Go“ Sportarten oder bei Sportarten mit hoher Geschwindigkeit, wie zum Beispiel:

  • Fußball
  • Handball
  • Basketball
  • Skifahren
  • Kampfsport
  • Kitesurfen, etc.

Häufig sind es „Non Contact“ Verletzungen, also Verletzungen ohne Gewalteinwirkung eines Zweiten. Der zu Grunde liegende Verletzungsmechanismus ist zumeist eine Kombination aus endgradigen Belastungen in:

  • Hyperextension (Überstreckung) bzw. tibiale Translation (Verschiebung des Unterschenkels)
  • Rotationsbewegung: Innen-/Außenrotation (Verdrehen des Kniegelenks)
  • Valgusstellung (X-Bein)
  • Dezeleration (plötzlicher Stopp)

In seltenen Fällen können Verletzungen auch bei gebeugtem Knie auftreten. Je nach Kraft, die auf das Kniegelenk einwirkt, zeigt sich die Verletzungsschwere aufsteigend von einer isolierten Kreuzbandruptur bis hin zu Komplexverletzungen des Kapsel-Band-Apparates (Meniskus, Seitenband, etc.).

Therapie nach Kreuzbandriss

Die Therapie eines Kreuzbandrisses richtet sich nach verschiedenen Faktoren. Sowohl eine konservative, als auch eine operative Behandlung kann in Betracht gezogen werden.

Therapie bei einem Kreuzbandriss

Grundsätzlich unterscheidet man ein konservatives und ein operatives Vorgehen. Eine konservative Behandlung bedeutet, dass auf ein invasives Verfahren (z.B. eine Operation) verzichtet wird. Alle anderen Maßnahmen der Rehabilitation und die medikamentöse Therapie finden jedoch Anwendung. Ob eine Operation notwendig ist, ist von verschiedenen Faktoren abhängig:

  • Alter
  • Vorliegen von Begleitverletzungen
  • körperliche Aktivität im alltäglichen Leben (sitzende Tätigkeit vs. Sportler)
  • Instabilität des Kniegelenks

Bei persistierender Instabilität bzw. Versagen der konservativen Therapie sollte ebenfalls eine Operation in Betracht gezogen werden. Wenn sich für eine OP entschieden wird, kommen verschiedene Operationsmöglichkeiten in Frage (Herbort & Lobenhoffer 2018):

  • Kreuzbandplastik (körpereigenes Transplantat einer Sehne)
  • Refixation (Fixierung des gerissenen Kreuzbandes durch Fäden und Dübel)
  • Allograft (Sehnen von verstorbenen Spendern)
Welche Operationsmethode gewählt wird, entscheidet der behandelnde Arzt individuell bei jedem Patienten. Häufig wird jedoch die Operation mit einer Kreuzbandplastik gewählt. Dabei wird ein Teil einer Sehne entnommen und als „Ersatz-“ Kreuzband eingesetzt. Hierbei können Anteile der Semitendinosus- und Gracilis-Sehne (STG), Patella-Sehne (BTB) oder der Quadriceps-Sehne verwendet werden. Mit Hilfe von Bohrkanälen und Schrauben wird die Sehne fixiert und ist daher sehr stabil.


Heilungsdauer & Verlauf nach Kreuzbandriss

Die Heilungsdauer ist individuell und von Verletzung zu Verletzung unterschiedlich. Grundsätzlich gilt, umso komplexer eine Verletzung ist (z.B. unhappy triad, knöcherner Ausriss, etc.), umso länger ist die Heilungsdauer.

Nach der akuten Verletzung muss das Knie häufig (mit und ohne Operation) für ca. zwei Wochen durch Krücken entlastet und durch eine Schiene unterstützt (bzw. im Bewegungsausmaß eingeschränkt) werden. Im Regelfall kann der Betroffene nach kurzer Zeit wieder sportlich aktiv sein. Nach sechs Wochen kann bei guter Rehabilitation ein lockeres Lauftraining begonnen werden und nach drei Monaten eine Reintegration in den Sport erfolgen. Auf „Stop-and-Go“ Sportarten sollte allerdings mindestens sechs Monate verzichtet werden.

Zentral verantwortlich für einen positiven, schnellen Heilungsverlauf ist die richtige Entscheidung zwischen konservativer und operativer Behandlung sowie eine gewissenhafte Rehabilitation (Physio-/Elektrotherapie).

Wie lange muss ich nach einer Operation im Krankenhaus bleiben?

Normalerweise beträgt die Aufenthaltsdauer 1-3 Tage. Abhängig davon wie stark die Schmerzen sind, ob Komplikationen auftreten und wie weit die Mobilisation vorangegangen ist (Stiegen steigen sollte möglich sein), können diese Zeiten variieren.

Kreuzbandriss: Heilungsdauer und Verlauf

Die funktionelle Elektrostimulation hilft, die Muskulatur nach Kreuzbandriss wieder aufzubauen und die Koordination wieder herzustellen.

Behandlung eines Kreuzbandrisses

Eine rehabilitative Therapie (Physiotherapie, Elektrotherapie) kann nach einer Operation oder als alleinige Behandlungsmaßnahme erfolgen. Eine rein konservative Behandlung (ohne OP) ist generell nur bei isoliertem Kreuzbandriss möglich, wenn verschiedene Faktoren zutreffen (Fink et al. 2001):

  • geringe Instabilität (z.B. im Lachman-Test)
  • kein Instabilitätsgefühl
  • geringe Belastungsanforderungen bzw. Aktivitätsniveau

Die nicht operative Therapie wird ebenfalls bei älteren Patienten mit guten Behandlungsergebnissen bevorzugt, wenn ein niedriges Aktivitätsniveau bei geringer Instabilität vorliegt. Eine Altersgrenze für eine operative Rekonstruktion besteht jedoch nicht. Bei einer konservativen Behandlung sind engmaschige Kontrollen empfehlenswert, um bei Versagen dieser, eine rechtzeitige operative Behandlung starten zu können (ohne dass Langzeitschäden auftreten).

Die konservative Versorgung entspricht der Nachbehandlung nach Operation. Der Fokus liegt auf einer aktiven Rehabilitation mit adjuvanten Maßnahmen:

  • Physiotherapie
  • Elektrotherapie
  • Knieorthese (Schiene zur Bewegungslimitierung)
  • Gehstützen zur Entlastung (bei Bedarf)
  • Schmerztherapie (bei Bedarf)


Physiotherapie

Eine intensive physiotherapeutische Behandlung ist für den Heilungsverlauf besonders wichtig. Die Therapie sollte möglichst frühzeitig schon während dem Krankenhausaufenthalt beginnen. Hier startet eine frühfunktionelle Therapie, bei der der Betroffene das Gehen mit Unterarmgehstützen und das Stiegen steigen lernt. Des Weiteren muss sofort mit Kräftigungsübungen begonnen werden, da der Oberschenkel, wenn er nicht aktiviert wird, sehr schnell an Masse und somit an Kraft verliert.

Das Krafttraining zieht sich durch die gesamte Rehabilitationsphase und wird im weiteren Verlauf von einem intensiven Koordinations- und Gleichgewichtstraining begleitet. Bedeutend ist ein abgestufter Belastungsaufbau, der abhängig von Begleitverletzungen variieren kann. Auch die stetige Bewegungserweiterung durch aktives und passives (Mobilisation des Knies durch den Therapeuten) Bewegungstraining stellt einen zentralen Aspekt der Therapie dar. In der Anfangsphase, vor allem wenn das Knie noch stark geschwollen ist, kann eine begleitende Lymphdrainage sinnvoll sein.

Sind die Betroffenen aus dem Leistungssport, empfehlen sich sogenannte „Back-to-Sports“ oder „Back-to-Competition Tests“ (vgl. Herbst et al. 2015; Hildebrandt et al. 2015). Sie dienen der Überprüfung der adäquaten Funktion und Belastbarkeit des betroffenen Beines für die jeweilige Sportart und werden ebenfalls von Physiotherapeuten durchgeführt.


Elektrotherapie

Die funktionelle Elektrostimulation kann nach einem Kreuzbandriss helfen, die Kraft und die Koordination schneller wiederherzustellen. Spezielle Programme dienen dem Muskelaufbau und sind vor allem in der ersten Phase besonders wichtig. Die EMG-getriggerte Elektrostimulation kann in weiterer Folge eingesetzt werden, um die Muskulatur in einem funktionellen Kontext, also bei Bewegungsübungen, zu unterstützen.

Bei einigen Elektrostimulationsgeräten ist es ebenfalls möglich ein Koordinationstraining durchzuführen. Dieses wird durch ein Biofeedback, also eine Rückmeldung der Muskelspannung, unterstützt und verhilft somit zu einer besseren Körperwahrnehmung. Die Rückmeldung kann in einem spielerischen Kontext (z.B. Autorennen) gegeben werden, was auch einen motivationalen Aspekt bei längerer Reha-Phase hat.

Sollten Sie als Arzt oder Therapeut Interesse an Fortbildungen zur funktionellen Elektrostimulation haben und eine STIWELL® Einschulung direkt in Ihrem Institut oder online wünschen, kontaktieren Sie uns

Informieren Sie sich, wie die funktionelle Elektrostimulation mit dem STIWELL® nach Kreuzbandriss eingesetzt werden kann!

 

STIWELL® Elektrotherapie >

Fink, C., Hoser, C., Hackl, W., Navarro, R. A., & Benedetto, K. P. (2001). Long-term outcome of operative or nonoperative treatment of anterior cruciate ligament rupture-Is sports activity a determining variable?. International journal of sports medicine, 22(04), 304-309.

Hepp, W. R., & Locher, H. A. (2014). Orthopädisches Diagnostikum. Georg Thieme Verlag.

Herbort, M., & Lobenhoffer P. (2018). Vordere Kreuzbandruptur. S1-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie.

Herbst, E., Hoser, C., Hildebrandt, C., Raschner, C., Hepperger, C., Pointner, H., & Fink, C. (2015). Functional assessments for decision-making regarding return to sports following ACL reconstruction. Part II: clinical application of a new test battery. Knee Surgery, Sports Traumatology, Arthroscopy, 23(5), 1283-1291.

Hildebrandt, C., Müller, L., Zisch, B., Huber, R., Fink, C., & Raschner, C. (2015). Functional assessments for decision-making regarding return to sports following ACL reconstruction. Part I: development of a new test battery. Knee surgery, sports traumatology, arthroscopy, 23(5), 1273-1281.

Mehl, J., Diermeier, T., Herbst, E., Imhoff, A. B., Stoffels, T., Zantop, T., ... & Achtnich, A. (2018). Evidence-based concepts for prevention of knee and ACL injuries. 2017 guidelines of the ligament committee of the German Knee Society (DKG). Archives of orthopaedic and trauma surgery, 138(1), 51-61.